Ein ehrlicher Blick hinter die Buzzwords des modernen Arbeitgeber-Marketings
Gastbeitrag für den Mittelstand-Mittelrhein von Eugen Lakkas – Schwalbenfisch Kommunikation
Von außen hui, von innen… PowerPoint.
Kennen Sie das auch? Sie klicken sich durch Karriereseiten auf der Suche nach Inspiration – oder schlimmer noch: aus echtem Interesse an einem neuen Job – und begegnen immer denselben Versprechen. „Wir sind wie eine Familie“, „Teamspirit“, „Flexible Arbeitszeiten“, „Wertschätzung“ – klingt nett. So nett, dass es jedes mittelgroße Industrieunternehmen zwischen Buxtehude und Bangalore ebenfalls behauptet. Der Unterschied? Nur die Schriftart. Willkommen in der Welt des Employer Branding – oder besser: im Schaulaufen der Selbstdarstellung.

Dabei geht es um etwas Ernstes. Es geht um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in Zeiten von Fachkräftemangel, Generation Z und postpandemischer Selbstfindung. Doch statt den Finger in die Wunde zu legen, streichen viele Unternehmen nur liebevoll Pflaster in Corporate Colors darüber. Mit einer Prise Buzzword, einer Handvoll Employer-Floskeln und einem professionell fotografierten Obstkorb wird dann aus einem durchschnittlichen Arbeitsplatz eine vermeintlich „sinnstiftende Experience“. Ehrlich jetzt?
Die große Employer Branding Show: Willkommen in der Inszenierungsfalle
Der erste große Stolperstein im Employer Branding liegt im Außenauftritt – also dort, wo die Jagd nach Talenten beginnt. Und wie jagen wir heute? Mit stereotype-getränkter Schleimspur: „Work-Life-Balance“, „Purpose“, „junges, dynamisches Team“ – ein klassisches Casting auf dem Catwalk der Austauschbarkeit.
Marketingprofis wissen: „Der Köder muss dem Fisch schmecken.“ Richtig. Aber sollte man den Fisch nicht auch behalten wollen – und nicht nur braten? Der Vergleich hinkt – und genau das tut leider auch die gesamte Strategie vieler HR-Abteilungen. Es wird auf Hochglanz poliert, was nicht einmal aus Holz ist.
Vier besonders beliebte Formen des Scheiterns in der Recruitment-Kommunikation:
1. Ethische Floskelromantik:
Jeder stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Aber keiner kann erklären, was das eigentlich heißt – außer, dass der Mensch zufällig da ist, wo die Kaffeemaschine steht.
2. Teamgeist-Tourette:
„Tolle Kollegen“, „gute Stimmung“ – schön und gut. Aber wenn ich einen Job will, frage ich mich: Warum? Was macht euer Team besonders? Was hält euch zusammen – außer der gemeinsame Schwatz in der Teeküche?
3. Benefit-Bingo:
Firmenrad, Homeoffice, Gratiswasser. Das klingt zwar nach Fortschritt, ist aber heute die Basisausstattung – wie der Airbag im Auto. Niemand kauft einen Wagen wegen der Sicherheitsgurte.
4. Generationen-Glaskugeln:
Die Gen Z will Sinn. Ja. Aber sie will auch Pizza und Stabilität. Junge Menschen auf Work-Life-Balance und Avocado zu reduzieren, ist etwa so differenziert wie ein Horoskop im Frühstücksfernsehen.
Was fehlt, ist das, was wirklich zählt: Ein echter Unterschied. Eine erkennbare Identität. Substanz statt Styling.
Das innere Leuchten: Die Theorie-Falle der Unternehmenskultur
Angenommen, der Kandidat hat sich nicht abschrecken lassen. Er unterschreibt. Und dann? Dann beginnt das große Rätselraten. Was heißt eigentlich „Verantwortung übernehmen“? Was bedeutet „Wir kommunizieren auf Augenhöhe“, wenn der Chef ausschließlich in Pyramiden-Organigrammen denkt?
Hier schnappt sie zu – die zweite große Employer-Branding-Falle: das theorielastige Leitbild-Gefasel, das keine Sau versteht – pardon: keine Fachkraft ernst nimmt. Wer seine Unternehmenskultur mit PowerPoint-Folien manifestiert und auf Wandtattoos hofft, der bekommt am Ende keine Identifikation, sondern bestenfalls resigniertes Schulterzucken.
Denn während draußen inszeniert wird, wird drinnen theoretisiert. Die Mitarbeitenden sollen bitte loyal sein, ohne zu wissen, wofür. Sie sollen „Werte leben“, ohne zu wissen, wie sich diese im Arbeitsalltag konkret zeigen. Und sie sollen sich motiviert fühlen – von was? Von einer nebulösen „Vision 2030“?
Zwischen Hochglanz und Hirnschmalz: Wie Employer Branding tatsächlich wirkt
Und jetzt, meine Damen und Herren der Personalentwicklung, beginnt die Kür. Die Frage lautet nicht mehr: Was kommunizieren wir? Sondern: Was leben wir – und wie bringen wir es auf den Punkt?

Denn Employer Branding ist kein Marketing-Gag. Es ist ein Identitätsprozess. Wer glaubt, sich per Imagefilm zur attraktiven Arbeitgebermarke zu photoshoppen, hat das Spiel nicht verstanden – geschweige denn gewonnen.
Deshalb braucht es für externes wie internes Employer Branding ein echtes Fundament. Und hier kommt es: Werte. Aber bitte, bevor Sie jetzt wieder die Augen verdrehen – diesmal richtig.
Employer Branding INTERN: Weniger Werte, mehr Wirkung
Viele Unternehmen definieren Werte wie ein Hotel sein Frühstücksbuffet: Von allem ein bisschen. Am Ende bleibt vieles liegen. Dabei gilt: Weniger ist hier tatsächlich mehr – und mehr ist häufig nur mehr Verwirrung.
So gelingt interne Werte-Implementierung mit Substanz statt Symbolik:
1. Fokus auf 3–4 echte Kernwerte
Nicht zehn. Nicht sieben. Drei bis vier. Denn wer alles sein will, ist am Ende nur noch generisch. Die Auswahl sollte auf individuelle Eigenschaften der Unternehmenskultur beruhen – nicht auf allgemeingültige Compliance-Begriffe wie Ehrlichkeit, Respekt oder Fairness. Diese gehören zur Grundausstattung – wie das Bremslicht beim Auto.
2. Wertekriterien statt Wandtattoos
Die Werte werden durch ca. ein Dutzend konkrete, greifbare Wertekriterien operationalisiert. Das heißt: Was bedeutet „Verantwortung“ ganz konkret im Alltag? Wie zeigt sich „Verbindlichkeit“ in Meetings, Prozessen, im Kundenkontakt? Diese Kriterien machen Werte messbar, erlebbar und überprüfbar – für Mitarbeiter wie für Führungskräfte.
3. Wertebotschafter auf allen Ebenen
Und nun wird’s lebendig: Interne Wertebotschafter, idealerweise aus unterschiedlichen Abteilungen und Hierarchieebenen, übernehmen Verantwortung. Sie definieren konkrete Maßnahmen, Milestones und Ziele nach dem SMART-Prinzip – nicht als Projekt-Dekoration, sondern als lebendige, überprüfbare Kulturarbeit.
Der Effekt? Unternehmenskultur wird nicht mehr postuliert, sondern praktiziert. Und zwar da, wo sie hingehört: in den Alltag. So entstehen keine frommen Leitbilder, sondern echte Leitplanken.
Employer Branding EXTERN: Copy-Strategie mit Charakter statt Copy-Paste
Die wichtigste Frage im Recruiting bleibt: Warum genau ihr?
Und die häufigste falsche Antwort ist: „Weil wir auch Kaffee, Kickertisch und Kultur haben.“ Schön. Aber: Was hebt euch WIRKLICH ab?
Hier setzt eine durchdachte Copy-Strategie für das externe Employer Branding an – und zwar jenseits der üblichen Slogans und Stockbilder. Der Schlüssel? Ein klares Werteversprechen.
So geht differenzierende Positionierung:
- Wähle einen bis maximal zwei Kernwerte aus dem Werte-Fundament, die eure Unternehmenskultur am stärksten prägen – nicht die nettesten, sondern die ehrlichsten.
- Formuliere daraus ein Value Proposition Statement, das klar, spitz und emotional ist – kein weichgespültes „Wir bieten Perspektiven“, sondern ein mutiges Bekenntnis zur eigenen Identität.
- Und dann: Inszeniere es – mit allen kreativen Mitteln. Nur diesmal nicht als Illusion, sondern als Ausdruck gelebter Realität. Authentisch. Persönlich. Klar. Bewerber merken, ob ein Teamvideo eine Marketing-Übung ist oder echtes Teamgefühl zeigt.
So wird aus Employer Branding nicht nur Werbung – sondern Einladung zur Identifikation.
Fazit: Employer Branding braucht Mut. Und Ehrlichkeit.
Gutes Employer Branding ist kein Etikett, sondern ein tiefgreifender Prozess. Er beginnt nicht mit einer Werbeagentur – sondern mit einer ehrlichen Selbstreflexion: Wer sind wir wirklich? Wofür stehen wir? Und warum sollte jemand bei uns arbeiten wollen – und bleiben?
Die Zeiten des Schönfärbens sind vorbei. Wer Menschen gewinnen will, muss etwas zeigen, das echt ist: Haltung, Klarheit, Persönlichkeit. Nicht perfekt – aber glaubwürdig. Nicht glatt – sondern greifbar.
In einer Welt voller Copy-Paste-Kommunikation ist Authentizität das neue Gold. Oder um es mit einem Augenzwinkern zu sagen:
Employer Branding ist wie Dating ab 40: Wer nur mit Photoshop kommt, erlebt spätestens beim ersten Treffen die Quittung.
Also, liebe Unternehmen: Schmeißt eure Buzzwords über Bord. Beantwortet eine einzige Frage ehrlich: Warum genau ihr?
Und dann erzählt genau diese Geschichte. Eure Geschichte. Kein Märchen.
Über den Autor
Eugen Lakkas ist Kommunikationsberater, zertifizierter Trainer, Mindset-Coach, Wirtschaftsmediator und Keynotespeaker und hat seit 1988 für namhafte Werbeagenturen sowie als selbstständiger Unternehmer für kleine, mittelständische und große Marken gearbeitet. Er unterstützt Unternehmen dabei, ihre Unternehmenswerte praxisnah und nachhaltig in der Unternehmenskultur sowie in der internen und externen Kommunikation zu verankern. Bundesweit hält er Vorträge und Workshops für Unternehmerverbände, Bildungsinstitutionen sowie Unternehmen aller Branchen und Größen.


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Eugen Lakkas
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